bb) Schutzpflichtverletzung
Wie oben bereits ausgeführt, führen Leistungskürzungen immer
wieder zu lebensbedrohlichen Situationen bei Sanktionierten.
Ein depressiver 20-jähriger Sanktionierter starb an
Unterversorgung der Organe in seiner Wohnung. Die Mutter gab an, dass sie sich
keine Nahrungsmittel hätten kaufen können:
http://www.sueddeutsche.de/panorama/speyer-arbeitsloser-verhungert-in-seiner-wohnung-1.666139 (abgerufen am 12.7.2013)
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/arbeitsloser-in-speyerverhungert/835784.html (abgerufen am 12.7.2013)
Ein Sanktionierter musste in ein Krankenhaus wegen Unterernährung
eingeliefert werden:
vgl. Grießmeier, Der disziplinierende Staat, 2012, S. 47
f.
100-%-Sanktionen ohne Sachleistungskompensation gemäß
§§ 31 ff. SGB II können dazu führen, dass Beitragserstattungen für
den Kranken- und Pflegeversicherungsschutz entfallen. Werden die Beiträge über
zwei Monate nicht bezahlt, besteht nur noch ein Anspruch auf die
„Notversorgung“ gem. § 16 Abs. 3a S. 2 1. HS SGB V und eine ärztliche
Versorgung kann im Einzelfall nicht mehr gewährleistet sein.
Darüber hinaus entfällt bei Schwangeren der Mehrbedarf
für Schwangerschaft und bei Personen mit bestimmten Krankheiten der Mehrbedarf
für kostenaufwändige Ernährung.
Die gesundheitsschädlichen Folgen, die eine Sanktionierung
mit sich bringen kann, ergeben sich aus der mangelhaften Versorgung mit
Lebensmitteln, fehlender ärztlicher Versorgung, und der Gefährdung durch
Obdachlosigkeit. Die Betroffenen werden durch die Sanktionen gezwungen, sich
sozial zu isolieren, ungesund zu ernähren und sind durch die Unterschreitung
des Existenzminimums in ihrem physischen und psychischen Wohlbefinden derart
eingeschränkt, dass ihre körperliche Unversehrtheit und in einzelnen Fällen
möglicherweise auch ihr Leben nicht mehr geschützt ist.
Die Situation für Sanktionierte, insbesondere
„Vollsanktionierte“ kann bezüglich der Mittel zum physischen Überleben durchaus
schlechter sein, als die von Strafgefangenen in Haftanstalten, die in der Regel
eine ausgeglichene Ernährung und Taschengeld erhalten, auch wenn sie nicht zu
einer Eigenfinanzierung imstande sind. Das in einer Straftat liegende „Unrecht“
geht augenscheinlich weit über das einer „Pflichtverletzung“ nach § 31
SGB II hinaus. Ebenso augenscheinlich liegt in einem (weitreichenden)
Entzug der ALG-II-Leistung auf irgendeine wiederholte Handlung ohne ein
irgendwie ersichtliches Eigen- und Fremdgefährdungspotential eine völlig unangemessene
Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der sich
pflichtwidrig verhaltenden Hilfebedürftigen.
Bereits die dauernde Drohung mit Sanktionen kann die geistige und seelische Gesundheit beeinträchtigen.
AntwortenLöschenDaß alle erwerbslosen in dieser juristischen Situation sind, stellt eine ungeheure Stigmatisierung dar.
Epidemiologisch gedacht, ist es klar, daß davon soundsoviele der personen krank werden.
die Gruppe der Erwerbslosen ist groß genug, um vorher auszurechnen, welcher prozentsatz und wie viele von dieser behandlung alleine schon krank werden.
Dazu kommt die Psycho-Folter.
Diese läßt sich mit den modernen Begriffen der Psychologie und Psychiatrie leider nicht so richtig beschreiben, da diese Begriffe dafür gemacht sind, solche Zusammenhänge zu verbergen.
In den begriffen der antipsychiatrischen Bewegung würde sich ein Wahnsystem beschreiben lassen ("Du bist selbst schuld an Deiner Arbeitslosigkeit, weil Du Dich nicht genug anstrengst" // "Diese saublöde Sinnlosmaßnahme kann Dir helfen, deshalb mußt Du sie machen, weil du alles machen mußt, was Dir helfen kann" // "Ich will nur Dein bestes, also mach ich Dich mit einer 100%-Sanktion erstmal obdachlos, und wenn Du danach immer noch nicht verhungert bist, dann kommt die nächste"), welches den betroffenen u.A.mit Hilfe der Sanktionsdrohungen aufgezwungen wird, das heißt, sie werden gezwungen, sich zu verhalten, als würden sie all das glauben. Dies funktioniert aber nicht, denn durch "Bemühen" werden die Arbeitsplätze ja nicht mehr und die Ansprüche der Arbeitgeber nicht realistischer.
Für das Nichtfunktionieren wird die verantwortung aber wiederum bei den erwerbslosen gesucht.
Zusätzlich zu Sanktionsdrohungen sprechen die Sachbearbeiter noch auf die erwerbslosen ein (und wenn sie deswegen nicht mehr hingehen, werden ie sanktioniert).
Und so weiter.
Der bereich der gesundheitlichen Beeinträchtigung ist weit größer.
Ich weiß aber nicht, wie weit es Sinn hat, das zu ergänzen....