Sonntag, 21. Juli 2013

Antrag: bb) Schutzpflichtverletzung


bb) Schutzpflichtverletzung

Wie oben bereits ausgeführt, führen Leistungskürzungen immer wieder zu lebensbedrohlichen Situationen bei Sanktionierten.

Ein depressiver 20-jähriger Sanktionierter starb an Unterversorgung der Organe in seiner Wohnung. Die Mutter gab an, dass sie sich keine Nahrungsmittel hätten kaufen können:



Ein Sanktionierter musste in ein Krankenhaus wegen Unterernährung eingeliefert werden:

vgl. Grießmeier, Der disziplinierende Staat, 2012, S. 47 f.

100-%-Sanktionen ohne Sachleistungskompensation gemäß §§ 31 ff. SGB II können dazu führen, dass Beitragserstattungen für den Kranken- und Pflegeversicherungsschutz entfallen. Werden die Beiträge über zwei Monate nicht bezahlt, besteht nur noch ein Anspruch auf die „Notversorgung“ gem. § 16 Abs. 3a S. 2 1. HS SGB V und eine ärztliche Versorgung kann im Einzelfall nicht mehr gewährleistet sein.

Darüber hinaus entfällt bei Schwangeren der Mehrbedarf für Schwangerschaft und bei Personen mit bestimmten Krankheiten der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung.

Die gesundheitsschädlichen Folgen, die eine Sanktionierung mit sich bringen kann, ergeben sich aus der mangelhaften Versorgung mit Lebensmitteln, fehlender ärztlicher Versorgung, und der Gefährdung durch Obdachlosigkeit. Die Betroffenen werden durch die Sanktionen gezwungen, sich sozial zu isolieren, ungesund zu ernähren und sind durch die Unterschreitung des Existenzminimums in ihrem physischen und psychischen Wohlbefinden derart eingeschränkt, dass ihre körperliche Unversehrtheit und in einzelnen Fällen möglicherweise auch ihr Leben nicht mehr geschützt ist.

Die Situation für Sanktionierte, insbesondere „Vollsanktionierte“ kann bezüglich der Mittel zum physischen Überleben durchaus schlechter sein, als die von Strafgefangenen in Haftanstalten, die in der Regel eine ausgeglichene Ernährung und Taschengeld erhalten, auch wenn sie nicht zu einer Eigenfinanzierung imstande sind. Das in einer Straftat liegende „Unrecht“ geht augenscheinlich weit über das einer „Pflichtverletzung“ nach § 31 SGB II hinaus. Ebenso augenscheinlich liegt in einem (weitreichenden) Entzug der ALG-II-Leistung auf irgendeine wiederholte Handlung ohne ein irgendwie ersichtliches Eigen- und Fremdgefährdungspotential eine völlig unangemessene Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der sich pflichtwidrig verhaltenden Hilfebedürftigen.

 

1 Kommentar:

  1. Bereits die dauernde Drohung mit Sanktionen kann die geistige und seelische Gesundheit beeinträchtigen.
    Daß alle erwerbslosen in dieser juristischen Situation sind, stellt eine ungeheure Stigmatisierung dar.
    Epidemiologisch gedacht, ist es klar, daß davon soundsoviele der personen krank werden.
    die Gruppe der Erwerbslosen ist groß genug, um vorher auszurechnen, welcher prozentsatz und wie viele von dieser behandlung alleine schon krank werden.

    Dazu kommt die Psycho-Folter.
    Diese läßt sich mit den modernen Begriffen der Psychologie und Psychiatrie leider nicht so richtig beschreiben, da diese Begriffe dafür gemacht sind, solche Zusammenhänge zu verbergen.
    In den begriffen der antipsychiatrischen Bewegung würde sich ein Wahnsystem beschreiben lassen ("Du bist selbst schuld an Deiner Arbeitslosigkeit, weil Du Dich nicht genug anstrengst" // "Diese saublöde Sinnlosmaßnahme kann Dir helfen, deshalb mußt Du sie machen, weil du alles machen mußt, was Dir helfen kann" // "Ich will nur Dein bestes, also mach ich Dich mit einer 100%-Sanktion erstmal obdachlos, und wenn Du danach immer noch nicht verhungert bist, dann kommt die nächste"), welches den betroffenen u.A.mit Hilfe der Sanktionsdrohungen aufgezwungen wird, das heißt, sie werden gezwungen, sich zu verhalten, als würden sie all das glauben. Dies funktioniert aber nicht, denn durch "Bemühen" werden die Arbeitsplätze ja nicht mehr und die Ansprüche der Arbeitgeber nicht realistischer.
    Für das Nichtfunktionieren wird die verantwortung aber wiederum bei den erwerbslosen gesucht.
    Zusätzlich zu Sanktionsdrohungen sprechen die Sachbearbeiter noch auf die erwerbslosen ein (und wenn sie deswegen nicht mehr hingehen, werden ie sanktioniert).
    Und so weiter.
    Der bereich der gesundheitlichen Beeinträchtigung ist weit größer.
    Ich weiß aber nicht, wie weit es Sinn hat, das zu ergänzen....

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