Sonntag, 21. Juli 2013

Antrag: Anhang: 5. Eingeschränkte Kritik an den gegenwärtigen Sanktionsregelungen


5. Eingeschränkte Kritik an den gegenwärtigen Sanktionsregelungen

Ein großer Teil der Literatur hält Sanktionen mit Einschränkungen für zulässig, wobei die geltende Rechtslage häufig als verfassungsrechtlich problematisch bezeichnet wird.

Insbesondere wird dabei mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz argumentiert.

So hält z. B. Lauterbach das Entfallen der Bedarfe nach § 22 SGB II für bedenklich:

Lauterbach, Verfassungsrechtliche Probleme der Sanktionen im Grundsicherungsrecht, ZFSH/SGB 2011, S. 585.

Auch hält er die Verhängung einer Sanktion von 60 % bzw. 100 % ohne die Gewährung von Sachleistungen für in der Regel unverhältnismäßig, wenn eine angemessene Lebensmittelversorgung anderweitig nicht gewährleistet ist:

vgl. Lauterbach, in: Gagel, SGB II, 48. Ergänzungslieferung 2013, § 31, Rn. 2.

Zudem kritisiert er die „Funktion einer `Strafnorm` mit generalpräventivem Charakter und sieht in den starren Rechtsfolgen der Sanktionsnormen einen Konflikt mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz:

Lauterbach, Verfassungsrechtliche Probleme der Sanktionen im Grundsicherungsrecht, ZFSH/SGB 2011, 584, 586.

Berlit, der Leistungskürzungen grundsätzlich für verfassungsrechtlich zulässig hält, schränkt in gleichem Atemzug ein:

Dies bedeutet [...] nicht, dass das geltende Sanktionssystem in all seinen Ausformungen verfassungsrechtlich unbedenklich ist. [...] Der Gesetzgeber darf auch bei grob pflichtwidrigem Handeln den Leistungsberechtigten nicht in eine Situation bringen, in der das physische Existenzminimum aktuell nicht gewährleistet ist und der Leistungsberechtigte auch sonst keine Chance hat, sich die hierfür erforderlichen Mittel legal kurzfristig anderweitig zu beschaffen.“ [Hervorh. d. Verf.]

Berlit, Minderung der verfügbaren Mittel – Sanktionen und Aufrechnung im SGB II, ZFSH/SGB 2012, 562 ff. (567),

Schnath vertritt die Auffassung, dass zumindest „das zum Überleben Notwendige sicher zu stellen ist“ und ein Sanktionsregime, welches das Überlebensnotwendige – auch zeitweise – nicht sichert, verfassungswidrig  sei:

Schnath, Das neue Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, NZS 2010, S. 301.

Herold-Tews hält es für problematisch, dass § 31a SGB II keine Härteregelungen vorsieht:

Herold-Tews, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, Grundsicherung für Arbeitssuchende, 3. Auflage, 2011, § 31 a, Rn. 27.

Hirschboeck formuliert hinsichtlich einer vollständigen Leistungsstreichung verfassungsrechtliche Bedenken:

Hirschboeck, Sozialhilfemissbrauch in Deutschland aus juristischer Sicht, 2004, S. 114 f.

Sonnhoff hält einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip für möglich, wenn eine Sanktion von 100 % über drei Monate verhängt werden könnte. Dabei sei besonders problematisch, dass auch die Kosten für Unterkunft entfallen. 

Sonnhoff, in: Radüge, jurisPK-SGB II, 3. Auflage, 2012, § 31 a, Rn. 25. 

Berlit führt aus, dass Zeitdauer und Umfang der Minderung zu unflexibel seien:

Berlit, in: Münder, LPK-SGB II, § 31 a, Rn. 5.

Ähnlich wird argumentiert, dass die sachbearbeitende Person derzeit keine Möglichkeit habe, auf besondere Härten im Einzelfall einzugehen.

Vgl. hierzu: Loose, Sanktionierung von Pflicht und Obliegenheitsverletzungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ZFSH/SGB 2010, S. 345.

Auch nach Lauterbach widerspricht „die Starrheit des Sanktionsmechanismus“ dem Ziel der Aktivierung und gebe den Regelungen „Strafcharakter“:

Lauterbach, in: Gagel, SGB II, 48. Ergänzungslieferung 2013, § 31, Rn. 1.

Köpp/Richers halten das Antragserfordernis und das Ermessen der Verwaltung bei der Sachleistungsvergabe für verfassungsrechtlich problematisch und befürworten zudem eine Sachleistungsgewährung, die den Betroffenen zum einen die Möglichkeit von Alternativen gewährt und zum anderen keine diskriminierende Wirkung entfaltet.

Köpp/Richers, Wer nicht arbeitet, soll dennoch essen, DÖV 2010, S. 1000.

 

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