Samstag, 20. Juli 2013

Antrag: dd) Ausgestaltung durch §§ 20 ff. SGB II


dd) Ausgestaltung durch §§ 20 ff. SGB II

Der Gesetzgeber hat mit den §§ 20 ff. SGB II, 28 ff. SGB XII eine Bestimmung der Bedarfshöhe vorgenommen. Ausgehend von einer Bedarfsberechnung erkennt er in §§ 20 ff. SGB II pauschalierte Geldleistungen zu:

vgl. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 SGB XII, insb. § 8 RBEG i. V. m. § 20 Abs. 2-4 SGB II; auch: Hannes in Gagel, SGB II, § 20 Rn. 3.

Dabei ist nicht ersichtlich, dass der Regelsatz des ALG II etwa als Bonussystem ausgestaltet worden wäre, bei dem eine Sanktion lediglich zur Absenkung der Leistungen auf die Höhe des Existenzminimums führen würde, also nur „pflichtwidrig“ handelnde Leistungsbezieher auf das Minimum reduziert würden und alle übrigen Hilfebedürftigen Leistungen erheblich oberhalb dieses Niveaus erhielten.

Eine solche Konstruktion, nach der der reguläre Sozialhilfeanspruch noch um 20 bis 30 % auf die „Höhe des zum Leben Unerlässlichen“, gesenkt werden könnte, wurde von einigen Gerichten bei der Anwendung der früheren Vorschrift des § 25 BSHG angenommen,

z. B. Hess. VGH, 6 S 307/89 vom 4.4.1989, Rn. 5; VGH Ba-Wü, 7 S 1755/99 vom 11.10.1999, Rn. 12,

und findet sich mitunter auch noch in der Kommentarliteratur zum SGB II, indem unterhalb des gesetzlichen Existenzminimums noch ein „Kernbereich“, meist eine Art „physisches Existenzminimum“ konstruiert wird;

näheres dazu s. Anhang.

Dann müsste der volle Regelsatz des Arbeitslosengeldes II nach §§ 20 SGB II über das menschenwürdige Existenzminimum hinausgehen,

vgl. dazu Berlit, ZFSH SGB 10/2012, S. 561 ff. (564).

Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe eine Regelleistung festlegen wollen, die irgendwo (undefiniert und undefinierbar) oberhalb des Existenzminimums angesiedelt ist, spricht jedoch entscheidend die mit der Einführung der Regelbedarfe des SGB II durch den Gesetzgeber vorgenommene Bedarfsberechnung im Sinne einer Festsetzung der für das physische Überleben und die kulturelle Teilhabe unbedingt zu gewährleistenden Bedarfe. Sinn und Zweck der Neufassung der SGB-II-Leistungsnormen war die Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nach einem transparenten Berechnungsverfahren zur Bestimmung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums:

vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, S. 1, A. Problem und Ziel; Hannes in Gagel, SGB II, § 20 Rn. 5, 10 ff., 90.

Ausweislich der vorgenommenen Berechnungen, die ihren Niederschlag in den Festsetzungen des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes gefunden haben, handelt es sich um Bedarfe, die zur Deckung des gesellschaftlich anerkannten Minimums erforderlich sind, also eben so ausreichen (sollen). Die mindestens erforderlichen Bedarfe für eine menschenwürdige Existenz können aber weder logisch noch begrifflich weiter unterschritten werden.

Eine exakte Berechnung durch Heranziehung statistischer Verbraucherausgaben hat zu einer (möglicherweise nicht einmal ausreichenden) Festsetzung von Leistungen geführt. Die Leistungshöhen im SGB II und SGB XII für Ein- und Mehr-Personen-Haushalte und für Kinder sowie die Mehrbedarfszuschläge entsprechen dieser Berechnung, ohne dass dabei ein zusätzlicher, nicht durch die Berechnung selbst intendierter Betrag als „Bonuszuschlag“ oberhalb des vom Gesetzgeber als erforderlich angesehenen Pauschalbetrags gewährt wird.

Von der Intention des Gesetzgebers, mit den Regelsätzen des SGB II gerade das menschenwürdige Existenzminimum zu sichern, geht auch das Bundesverfassungsgericht aus:

„Die Normen des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes sind ausweislich der Stellungnahme der Bundesregierung in diesem Verfahren die einzig verfügbare, durch den Gesetzgeber vorgenommene und angesichts seines Gestaltungsspielraums wertende Bestimmung der Höhe von Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums.“ [Hervorh. d. Verf.]

BVerfG, 1 BvL 10/10 vom 18.7.2012, Abs.-Nr. 126.

 

1 Kommentar:

  1. "Die mindestens erforderlichen Bedarfe für eine menschenwürdige Existenz können aber weder logisch noch begrifflich noch weiter unterschritten werden."

    Hier könnte vielleicht durch die Löschung des 2. "noch" im gleichen Satz die Lesbarkeit erhöht werden, ohne die Substanz zu mindern. Alternativ wäre das Wort "zusätzlich" zu überlegen, um den logischen Konflikt in diesem Satz von "weder,noch" an dieser Stelle zu verhindern.

    Herzlichst! Detlef

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