dd) Ausgestaltung durch §§ 20 ff. SGB II
Der Gesetzgeber hat mit den §§ 20 ff. SGB II, 28 ff. SGB XII eine Bestimmung der Bedarfshöhe vorgenommen. Ausgehend von einer
Bedarfsberechnung erkennt er in §§ 20 ff. SGB II pauschalierte
Geldleistungen zu:
vgl. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 SGB
XII, insb. § 8 RBEG i. V. m. § 20 Abs. 2-4 SGB II; auch: Hannes in Gagel,
SGB II, § 20 Rn. 3.
Dabei ist nicht ersichtlich, dass der Regelsatz des ALG II
etwa als Bonussystem
ausgestaltet worden wäre, bei dem eine Sanktion lediglich zur Absenkung der
Leistungen auf die Höhe des
Existenzminimums führen würde, also nur „pflichtwidrig“ handelnde
Leistungsbezieher auf das Minimum reduziert würden und alle übrigen
Hilfebedürftigen Leistungen erheblich oberhalb dieses Niveaus erhielten.
Eine solche Konstruktion, nach der der reguläre
Sozialhilfeanspruch noch um 20 bis 30 % auf die „Höhe des zum Leben
Unerlässlichen“, gesenkt werden könnte, wurde von einigen Gerichten bei der
Anwendung der früheren Vorschrift des § 25 BSHG angenommen,
z. B. Hess. VGH, 6 S 307/89 vom 4.4.1989, Rn. 5; VGH
Ba-Wü, 7 S 1755/99 vom 11.10.1999, Rn. 12,
und findet sich mitunter auch noch in der Kommentarliteratur
zum SGB II, indem unterhalb des gesetzlichen Existenzminimums noch ein
„Kernbereich“, meist eine Art „physisches Existenzminimum“ konstruiert wird;
näheres dazu s. Anhang.
Dann müsste der volle Regelsatz des Arbeitslosengeldes II nach §§ 20 SGB II über
das menschenwürdige Existenzminimum hinausgehen,
vgl. dazu Berlit, ZFSH SGB 10/2012, S. 561 ff. (564).
Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe eine Regelleistung
festlegen wollen, die irgendwo (undefiniert und undefinierbar) oberhalb des
Existenzminimums angesiedelt ist, spricht jedoch entscheidend die mit der
Einführung der Regelbedarfe des SGB II durch den Gesetzgeber vorgenommene
Bedarfsberechnung im Sinne einer
Festsetzung der für das physische Überleben und die kulturelle Teilhabe unbedingt
zu gewährleistenden Bedarfe. Sinn und Zweck der Neufassung der
SGB-II-Leistungsnormen war die Erfüllung der Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts nach einem transparenten Berechnungsverfahren zur Bestimmung der Leistungen zur Sicherung des
menschenwürdigen Existenzminimums:
vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung
von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch, S. 1, A. Problem und Ziel; Hannes in Gagel, SGB II, § 20
Rn. 5, 10 ff., 90.
Ausweislich der vorgenommenen Berechnungen, die ihren
Niederschlag in den Festsetzungen des
Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes gefunden haben, handelt es sich um
Bedarfe, die zur Deckung des gesellschaftlich anerkannten Minimums erforderlich
sind, also eben so ausreichen (sollen). Die mindestens erforderlichen
Bedarfe für eine menschenwürdige Existenz können aber weder logisch noch
begrifflich weiter unterschritten werden.
Eine exakte Berechnung durch Heranziehung statistischer
Verbraucherausgaben hat zu einer (möglicherweise nicht einmal ausreichenden)
Festsetzung von Leistungen geführt. Die Leistungshöhen im SGB II und SGB
XII für Ein- und Mehr-Personen-Haushalte und für Kinder sowie die Mehrbedarfszuschläge
entsprechen dieser Berechnung, ohne dass dabei ein zusätzlicher, nicht
durch die Berechnung selbst intendierter Betrag als „Bonuszuschlag“ oberhalb
des vom Gesetzgeber als erforderlich angesehenen Pauschalbetrags gewährt wird.
Von der Intention des Gesetzgebers, mit den Regelsätzen des
SGB II gerade das menschenwürdige Existenzminimum zu sichern, geht auch das Bundesverfassungsgericht aus:
„Die Normen des
Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes sind ausweislich der Stellungnahme der
Bundesregierung in diesem Verfahren die einzig verfügbare, durch den
Gesetzgeber vorgenommene und angesichts seines Gestaltungsspielraums wertende
Bestimmung der Höhe von Leistungen zur Sicherstellung eines
menschenwürdigen Existenzminimums.“ [Hervorh. d. Verf.]
BVerfG, 1 BvL 10/10 vom 18.7.2012,
Abs.-Nr. 126.
"Die mindestens erforderlichen Bedarfe für eine menschenwürdige Existenz können aber weder logisch noch begrifflich noch weiter unterschritten werden."
AntwortenLöschenHier könnte vielleicht durch die Löschung des 2. "noch" im gleichen Satz die Lesbarkeit erhöht werden, ohne die Substanz zu mindern. Alternativ wäre das Wort "zusätzlich" zu überlegen, um den logischen Konflikt in diesem Satz von "weder,noch" an dieser Stelle zu verhindern.
Herzlichst! Detlef